Sexualpädagogisches Konzept des bilingualen Gemeindekindergartens Flohkiste
Der Mensch ist von Geburt an ein sexuelles Wesen. Zu einer guten Persönlichkeitsentwicklung gehört es, dass die Kinder lernen ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und selbstbestimmt mit ihrem Körper und ihrer eigenen Sexualität umzugehen. Wir sensibilisieren die Kinder für die eigenen Grenzen sowie die ihrer Mitmenschen und stärken sie darin diese zu wahren.
Das Sexualpädagogische Konzept gibt unserem Team Sicherheit im Umgang mit sexualpädagogischen Fragen und ermöglicht uns ein einheitliches, fachlich fundiertes Handeln. Die Sexualerziehung sehen wir als einen wichtigen Bestandteil unseres Kinderschutzkonzeptes und der Präventionsarbeit an.
Kindliche Sexualität äußert sich vor allem in dem Bedürfnis nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und sinnlicher Nähe, der Freude und der Akzeptanz am eigenen Körper.
Die psychosexuelle Entwicklung ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Die Kinder in dieser Entwicklung zu begleiten, bedeutet jedes Kind in seiner Besonderheit wahrzunehmen und die unterschiedlichen Entwicklungswege zu akzeptieren. In der Entwicklung der kindlichen Sexualität sind die Unterschiede groß. Folgende Punkte geben Orientierung zur psychosexuellen Entwicklung im Kindergartenalter:
Kinder im Kindergartenalter …
… wissen, dass sie Junge oder Mädchen sind
… entwickeln Geschlechtsrollen (was tut ein Mädchen, was tut ein Junge?)
… haben große Freude am Zusammenspiel mit anderen. Sie erforschen spielerisch ihren eigenen Körper und den Körper von anderen Kindern, häufig in Rollenspielen (Vater-Mutter-Kind, Doktorspiele)
… testen ihre Rolle. Spielerisch erkunden sie, wie es sich im anderen Geschlecht anfühlt (Verkleiden, Schminken)
… sind häufig an Fortpflanzung interessiert und stellen entsprechende Fragen
… entwickeln ein deutliches Schamgefühl und setzen zunehmend klare Grenzen
… stimulieren sich auch selbst (Wohlgefühl, Lust, Entspannung)
… schließen innige Freundschaften mit anderen Kindern, genießen körperliche Nähe
… lernen, dass bestimmte „schmutzige“ Wörter bei Erwachsenen starke Reaktionen auslösen. Sie testen aus, welche Sprache in welcher Umgebung akzeptiert ist.
Das Sexualpädagogische Konzept wird öffentlich gemacht, von Anfang an werden die Eltern darauf hingewiesen, dass wir ein Kinderschutz- und sexualpädagogisches Konzept haben.
Wir informieren die Eltern über den Inhalt, über den Umgang mit Sexualität im Kindergarten, welche Regeln wir haben, was erlaubt ist, was nicht.
Uns ist bewusst, dass es unterschiedliche Erziehungsstile, Werte, Einstellungen und Sichtweisen in den einzelnen Familien gibt.
Unsere Aufgabe ist es Wissen und Sprache zum Thema Sexualität zu vermitteln, die eigene Köperwahrnehmung der Kinder zu fördern, ein gutes, selbstbestimmtes Körpergefühl zu stärken, den Kindern Orientierung und Schutz zu geben, die eigenen Grenzen und die der Anderen zu achten.
In unserem Wochenplan, der aushängt, informieren wir die Eltern täglich darüber, was wir gemacht haben. Bei konkreter Betroffenheit oder Vorfällen informieren wir die Eltern und beziehen sie mit ein. Wir bitten die Eltern, wenn Kinder von Beobachtungen, Erzählungen oder Gefühlen, die in Zusammenhang mit Sexualität stehen, zu Hause erzählen, uns darüber zu informieren.
Das Team der Flohkiste pflegt einen fachlich fundierten Umgang mit dem Thema kindliche Sexualität. Frauen und Männer verrichten dieselbe Arbeit. Kein Teammitglied wird auf Grund seiner Sexualität anders behandelt.
4.1. Umgang mit kindlicher Sexualität
Mit unserer sexualpädagogischen Haltung und Transparenz geben wir den Kindern Orientierung. Im Alltag gibt es viele Situationen in denen kindliche Sexualität ihren Ausdruck findet: Kinder stellen Fragen, erkunden ihren Körper, spielen Doktorspiele und verwenden sprachliche Begrifflichkeiten für ihren Körper und Körperfunktionen. Um eine gemeinsame Haltung und gemeinsames Handeln zu ermöglichen, wollen wir definieren, was wir zulassen und wo wir Grenzen setzen.
Körperwissen und Aufklärung
Das Kita-Team geht auf die Fragen der Kinder rund um die Themen Liebe, Geschlecht, Freundschaft, Zuneigung, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt altersgerecht ein. Dafür verwenden wir geeignete Bild-/Buch- und Spielmaterialien, Lieder sowie Entspannungs- und Bewegungsspiele.
Sprache
Unsere Sprache ist wertschätzend und diskriminierungsfrei. Wir benennen die Körperteile und Genitalien in deutscher und englischer Sprache (z.B. Scheide und Penis, Vagina and Penis) und verwenden keine Verniedlichungen. Eine einheitliche Sprache schafft Klarheit. Die sprachlichen Begriffe der Kinder werden akzeptiert aber nicht von uns übernommen. Abwertende, diskriminierende oder sexistische Ausdrücke werden nicht toleriert.
Körpererfahrung und Neugier
Wir bieten den Kindern viele Möglichkeiten ihren eigenen Körper kennenzulernen und wahrzunehmen. In den Gruppen stehen Materialen zur Verfügung, die Sexualerziehung erlebbar machen (Verkleidungskiste, Spiegel, Arztkoffer, Puppen). Unsere Räume bieten auch die Möglichkeit sich in einem sicheren und geschützten Rahmen zurückzuziehen.
Geschlechtsidentität und Geschlechterrolle
Die Kinder sollen sich in ihrer Geschlechterrolle (männlich, weiblich, divers) wohl fühlen. Die Unterschiede werden benannt und wertgeschätzt.
Die Kinder in der Flohkiste können und dürfen sich in unterschiedliche Geschlechterrollen ausprobieren und diese erleben, um ihre eigene Geschlechtsidentität zu finden.
Wir vermitteln den Kindern, dass die Geschlechterrollen gleichwertig sind. Wir regen die kritische Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Werten und Normen an.
4.2 Schutz der Kinder: Regeln
Für ein gleichberechtigtes Miteinander der Kinder
- bestimmen die Kinder was und mit wem sie spielen wollen, sie dürfen nicht unter Druck gesetzt werden
- dürfen sie sich selbst und andere nicht verletzen
- dürfen keine Gegenstände in Köperöffnungen eingeführt werden
- dürfen sich die Kinder nicht gegenseitig im Intimbereich berühren
- dürfen die persönlichen Grenzen des anderen nicht verletzt werden
- muss ein „Nein“, verbal oder nonverbal, akzeptiert werden
- ist Hilfe holen kein Petzen
- ist Angst machen und das Einfordern von Geheimhaltung nicht erlaubt
Um die Intimität der Sexualität zu schützen
- wird das persönliche Schamgefühl der Kinder respektiert und geschützt
- haben die Kinder das Recht auf einen ungestörten Toilettenbesuch (Anklopfen, Ansprechen und erst nach Erlaubnis die Tür öffnen)
- werden die Kinder geschützt vor den Blicken anderer gewickelt
- bieten wir den Kindern bei Bedarf eine Rückzugsmöglichkeit beim Umziehen
- ist das Nacktsein beim Spielen nicht erlaubt (die Unterwäsche bleibt immer angezogen)
Umgang mit Grenzverletzungen
Wir intervenieren
- bei körperlicher oder verbaler Gewalt
- wenn ein Kind auf andere Macht ausübt
- beim Verwenden von abwertenden, diskriminierenden oder sexistischen Ausdrücken
- bei nicht altersgemäßen sexuellen Aktivitäten oder wenn diese Überhand nehmen
- wenn sich Kinder beim Spiel nackt ausziehen
4.3. Stärkung der Kinder, Prävention
Als Grundlage für eine gute Sexualpädagogik bauen wir eine vertrauensvolle Beziehung zu den Kindern auf.
Damit die Kinder in einem geschützten Rahmen ihre Sexualität erleben können benötigt es Regeln, Absprachen und Grenzen. Diese vermitteln den Kindern Orientierung und Klarheit.
Wir pflegen einen offenen Umgang mit allen Fragen zum Thema Sexualität, die die Kinder beschäftigen. Wir thematisieren alles rund um Liebe, Zärtlichkeit, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt, sexuelle Übergriffe usw. kindgerecht und setzen dazu gezielt Bücher und andere Medien ein. Wir benennen die einzelnen Körper- und Geschlechtsteile.
Wir nehmen die Gefühle der Kinder ernst, benennen sie und lassen sie zu. So können die Kinder sich selbst wahrnehmen und lernen auf ihr Gefühl zu vertrauen. Zur Veranschaulichung arbeiten wir auch mit Gefühlskarten. Wir sprechen mit den Kindern über gute und schlechte Geheimnisse und dem Umgang damit.
Wir sensibilisieren die Kinder für ihre Körperwahrnehmungen. Durch Turnen, Yoga, gegenseitige Massage, verschiedene Sinnesübungen usw. lernen die Kinder auf ihren Körper zu hören und zu vertrauen.
Wir stärken die Persönlichkeit der Kinder. Wir fördern ihre Resilienz durch gezieltes Üben von NEIN sagen, mutig und selbstbewusst sein, laut und bestimmt sein und sich durchsetzen. Dies bauen wir spielerisch in unsere Angebote ein, wie z. B. „Eingesperrt im dicken Turm“.
Wir unterstützen die Kinder darin Konfliktfähigkeit zu erlangen. Unser Ziel ist es, dass die Kinder lernen Konflikte selbst zu lösen. Sich streiten, auseinandersetzen, einen Kompromiss finden und sich wieder versöhnen sind dabei wichtige Elemente. Das pädagogische Personal lebt den Kindern eine positive Fehler- und Streitkultur vor und unterstützt die Kinder bei ihren Konflikten, wenn sie Unterstützung brauchen.
Damit sich die Kinder als aktive Gestalter ihrer Umwelt erleben, bekommen sie vielfältige Möglichkeiten zur Partizipation. Die Kinder bringen ihre Meinungen und Wünsche ein, vertreten diese, und lernen, Kompromisse zu schließen. Dies geschieht sowohl in Kinderkonferenzen, Morgenkreisen als auch in Alltagssituationen.
Wir machen unsere Arbeit transparent und informieren die Eltern in Form von unseren Konzeptionen, Aushängen, Elternabenden usw. und binden sie damit in unsere Arbeit ein.
Nach unserem Leitgedanken „Wir machen Kinder stark für das Leben“ haben wir unser sexualpädagogisches Konzept im Team erarbeitet.
Starke Kinder sind neugierig und können ihre Sexualität sicher und selbstbestimmt leben. Auf diesem Weg schützen, sensibilisieren und stärken wir die Kinder.
Arbeitshilfe 2, Sexualpädagogisches Konzept, Der Paritätische Hessen
Sexualpädagogik in der Kita, Jörg Maywald, Herder Verlag, 3. überarbeitete Auflage 2018
Leitung der Kindertageseinrichtung: Renate Guth, Dipl. Sozialpädagogin (FH)
Träger der Kindertageseinrichtung: Gemeinde Gröbenzell
Herausgeber dieser pädagogischen Konzeption: Gemeindekindergarten Flohkiste
Redaktion und damit verantwortlich im Sinne des Presserechts (V.i.S.d.P.): Erster Bürgermeister Martin Schäfer